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Kachelofenfabrik - 26.02.2010

"Jeden Abend bellten die Hunde"
Lesung mit Karin Hartmann und Dietmar Lahaine zu dem Buch von Annette Leo
"Das ist so'n zweischneidiges Schwert hier unser KZ ..."
Fürstenberger Bürger erinnern sich an das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück

1939 lässt die SS ein Konzentrationslager in der Nähe Fürstenbergs errichten. Als zu Beginn des Jahres die Straße nach Himmelpfort gesperrt wird, hat dies nachhaltige Auswirkungen auf Fürstenberg, das bis dato eine eher beschauliche Ferienidylle für Berliner abgab.
„Das Lager…das war ja 38 oder 39 ... muss das gebaut worden sein. Da kamen Sie ja nicht ran, ne? Da kamen sie hier nicht ran. Aber wenn man hier übern See guckt, dann kann man es sehen…“
Vor einigen Jahren wollte die Historikerin Annette Leo von Fürstenbergerinnen und Fürstenbergern wissen, was sie seinerzeit vom nahe gelegenen Frauenkonzentrationslager gesehen, gehört, gewusst hatten und wie sie später mit ihren Erfahrungen umgegangen sind. Sie rührte widersprüchliche Erinnerungen auf, traf auf Abwehr und Schweigen und erfuhr von einem Alltag zwischen Idylle und Schrecken.
Auch nach mehr als sechs Jahrzehnten lastet die Vergangenheit schwer auf dieser Kleinstadt. Das berüchtigte Konzentrationslager in Sichtweite, fast täglich Häftlinge im Stadtbild - und doch scheint es so, als habe fast niemand etwas gewusst. Wie weit gehen die Verstrickungen? Ist das Schweigen Zeugnis für die immer noch offenen Fragen, wie viel die Bewohner selbst direkt oder indirekt damit zu tun hatten? Wie sehr damals die Fragen verdrängt wurden, was in dem Lager passierte? Geschah dies aus Angst, aus Bequemlichkeit? Und wie konnte es überhaupt dazu kommen?
"Als Instrument der Säuberung der Gesellschaft von 'Prostituierten' und 'Arbeitsscheuen' war das Lager weitgehend akzeptiert. Doch gleichzeitig repräsentierte es eine ständige Drohung, die sich gegen alle richtete." schreibt die Autorin.
AZu Zeiten der DDR gab es eher verordnete Massenaufmärsche an Gedenktagen und ein holzschnittartiges Vergangenheitsbild als keine wirkliche Aufarbeitung des Geschehens, schon gar nicht der persönlichen Anteile jedes Einzelnen.Nach wie vor ist dieses Thema vielen von uns unangenehm.
Annette Leo hat viele persönliche Erinnerungen und auch Haltungen der Fürstenberger zum Geschehen zusammen getragen und in einer sehr dichten Erzählweise verarbeitet. Das Buch, für das sie 2008 den Annalise-Wagner-Preis erhielt, zeigt deutlich die Schwierigkeiten, historische Ereignisse in den richtigen Kontext eigenen Erlebens einzuordnen und gleichzeitig, wie leicht aus der Verdrängung, aus dem Nicht-Hinsehen-Wollen, eine Mitschuld entstehen kann.
Karin Hartmann und Dietmar Lahaine lesen in der Galerie der Kachelofenfabrik aus dem Rohmaterial der Aufzeichnungen für das Buch.



Blick zum KZ